Psychosen > Rechtliche Aspekte

1. Das Wichtigste in Kürze

Psychotische Störungen können zu tiefgreifenden Verhaltensänderungen, Wahrnehmungsstörungen und zu einer falschen Beurteilung von Sachverhalten weit außerhalb der gesellschaftlichen Norm führen, insbesondere in akuten Phasen. Die Geschäftsfähigkeit ist dann zum Teil nicht mehr gegeben. Betroffene können für solche Situationen vorsorgliche Verfügungen erlassen. Unter bestimmten Umständen sind auch freiheitsentziehende Maßnahmen notwendig.

2. Rechtliche Betreuung wegen Psychosen

Bei rechtlicher Betreuung (oft auch gesetzliche Betreuung genannt) regelt ein gerichtlich bestellter Betreuer die Angelegenheiten des Betroffenen, wenn dieser selbst nicht mehr dazu in der Lage ist. Rechtliche Betreuung ist weder Pflege noch Beaufsichtigung, sondern Vertretung bei Rechtsgeschäften. Es geht dabei z.B. um das Abschließen von Verträgen und Anträge auf Sozialleistungen. Nur ein Teil der Menschen mit Psychosen braucht einen Betreuer.

Rechtliche Betreuung wird (im Gegensatz zur früheren „Entmündigung“) zeitlich begrenzt und nur für die Aufgabenbereiche eingerichtet, für die sie erforderlich ist.

Wem auffällt, dass ein Mensch mit Psychosen im Alltag (z.B. bei Verwahrlosung) nicht mehr zurechtkommt, kann rechtliche Betreuung beim Betreuungsgericht (eine Stelle beim örtlichen Amtsgericht) anregen. Alle Menschen sind dazu berechtigt, z.B. Familienmitglieder, Freunde, Behördenmitarbeiter oder die Person mit Psychosen selbst.

Das Betreuungsgericht richtet in der Regel nur dann rechtliche Betreuung für einen Menschen mit Psychosen ein, wenn ein Gutachten die Notwendigkeit bestätigt und erst nach einem persönlichen Besuch bei der zu betreuenden Person. Gegen den Willen eines Menschen mit Psychosen geht das nur, wenn der Wille aus medizinischer Sicht nicht mehr frei ist, z.B. wenn eine Psychose die Realitätswahrnehmung stark stört.

Bei Menschen mit Psychosen kann auch ein sog. Einwilligungsvorbehalt nötig werden. Dieser bedeutet, dass die meisten Erklärungen der betreuten Person nur rechtlich wirksam sind, wenn die rechtliche Betreuung eingewilligt hat.

Für manche Entscheidungen brauchen rechtliche Betreuer die Zustimmung des Betreuungsgerichts, z.B. bei einer Zwangseinweisung in eine Psychiatrie oder bei einer Zwangsbehandlung mit Medikamenten.

Näheres unter Rechtliche Betreuung.

3. Geschäftsunfähigkeit wegen Psychosen

Geschäftsfähigkeit bedeutet, dass ein Mensch Rechtsgeschäfte vornehmen darf. Grundsätzlich sind alle Menschen geschäftsfähig. Ausnahmen sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt.

Geschäftsunfähig sind neben Kindern vor ihrem 7. Geburtstag auch Menschen mit Erkrankungen, die zu einer Störung der Geistestätigkeit führen, welche die freie Willensbestimmung ausschließt. Das gilt nicht, wenn diese Störung der Geistestätigkeit ihrer Natur nach vorübergehend ist. Das gilt unabhängig davon, ob die Person eine rechtliche Betreuung hat.

In der Akutphase einer Psychose sind Patienten in der Regel geschäftsunfähig. Die Geschäftsunfähigkeit ist allerdings nicht automatisch mit Erreichen eines bestimmten Krankheitsstadiums zu vermuten, sondern muss in einem Sachverständigengutachten festgestellt werden.

Wenn Menschen mit Psychosen während einer Geschäftsunfähigkeit z.B. Verträge schließen, kann eine Person mit einer Vorsorgevollmacht oder ein rechtlicher Betreuer die Folgen wieder rückgängig machen. Dafür muss die bevollmächtigte Person oder der Betreuer im Zweifel ein Gutachten über die Geschäftsunfähigkeit zum Beweis vorlegen. Das schützt Menschen mit Psychosen vor den Folgen von Entscheidungen, die sie in gesundem Zustand nicht gewollt hätten.

Rechtssichere Entscheidungen kann bei einer Geschäftsunfähigkeit nur eine im Zustand der Geschäftsfähigkeit bevollmächtigte Person oder ein vom Gericht eingesetzter rechtlicher Betreuer treffen.

4. Vorsorge für psychotische Phasen

4.1. Vorsorgevollmacht

Durch eine Vorsorgevollmacht können Menschen mit Psychosen rechtzeitig vor einer psychotischen Phase festlegen, wer sie bei Bedarf vertreten soll. Sie gilt nicht erst bei einer Geschäftsunfähigkeit, sondern ab dem Zeitpunkt, in dem sie erteilt wurde. Sie kann deswegen immer genutzt werden, wenn die Person damit überfordert ist, sich um die eigenen Angelegenheiten zu kümmern, aber kann auch missbraucht werden. Deswegen sollten nur Menschen bevollmächtigt werden, zu denen großes Vertrauen besteht. Außerdem sind gute Absprachen mit der bevollmächtigten Person wichtig.

Die Vollmacht ermächtigt eine von dem Menschen mit Psychosen bestimmte Person zur Vertretung bei Rechtsgeschäften wie z.B. Anträgen und Verträgen. Sie kann als Generalvollmacht für alle Rechtsgeschäfte erteilt werden oder als Teilvollmacht für bestimmte Bereiche. Liegt eine ausreichende Vorsorgevollmacht vor, darf das Betreuungsgericht keine rechtliche Betreuung einrichten, also kann die Vollmacht rechtlicher Betreuung vorbeugen.

Eine Vorsorgevollmacht kann nur erteilen, wer geschäftsfähig ist.

Näheres unter Vorsorgevollmacht.

4.2. Betreuungsverfügung

In einer Betreuungsverfügung legt der Verfügende fest, wer – oder wer auf keinen Fall – im Bedarfsfall als rechtliche Betreuung eingesetzt werden soll und welche Wünsche diese Person zu beachten hat. Eine Betreuungsverfügung können auch Geschäftsunfähige  erteilen, solange sie (noch) einsichtsfähig sind, das heißt verstehen können, dass eine Betreuung nötig ist und wer dafür geeignet ist. Näheres unter Betreuungsverfügung.

Wichtig ist eine Absprache mit der Person oder den Personen, welche die rechtliche Betreuung übernehmen sollen, damit diese bei Bedarf auch wirklich dafür zur Verfügung stehen.

4.3. Patientenverfügung

In einer Patientenverfügung können Menschen mit Psychosen festschreiben, welche medizinische und pflegerische Behandlung sie wünschen und welche unterlassen werden sollen, wenn sie z.B. wegen einer psychotischen Phase nicht mehr einwilligungsfähig sind. Einwilligungsfähig ist, wer die Bedeutung, Tragweite und die Risiken der Behandlung erkennen, verstehen, sich darüber ein eigenes Urteil bilden und nach dieser Einsicht handeln kann.

Eine Patientenverfügung können nur Einwilligungsfähige erstellen, aber Geschäftsfähigkeit ist dafür nicht nötig.

Auch wenn in der Patientenverfügung steht, dass in psychotischen Phasen eine Zwangsbehandlung erwünscht ist, darf ohne Zustimmung des Betreuungsgerichts weder eine bevollmächtigte Person, noch ein rechtlicher Betreuer einwilligen. Eine ärztliche Zwangsbehandlung ist deswegen in Eilfällen nur ohne Einwilligung möglich, z.B. nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) des jeweiligen Bundeslandes oder nach dem Notstandsrecht (§ 34 StGB).

Näheres unter Patientenverfügung.

4.4. Praxistipp: Patientenverfügung gegen Zwangsmaßnahmen

Wenn Sie einwilligungsfähig sind und einer Zwangsmaßnahme (z.B. einer Zwangsbehandlung mit Medikamenten, Fixierung oder Zwangseinweisung) bei psychotischen Schüben vorbeugen wollen, können Sie das in einer Patientenverfügung festhalten, aber dabei sollten Sie unbedingt Folgendes beachten:

  • Der Ausschluss kann schwerwiegende Folgen haben, z.B. dass die Psychose sich verstärkt, dass häufig oder lange eine Fixierung nötig wird oder dass dauerhafte Gesundheitsschäden unvermeidbar werden. Vor einer solchen Entscheidung ist deswegen eine medizinische Beratung über die möglichen Folgen der Unterlassung von Zwangsmaßnahmen bei psychotischen Schüben wichtig.
  • Vordrucke für Patientenverfügungen für Menschen mit Psychosen können sich bei Bedarf als unwirksam herausstellen, wenn nicht erkennbar ist, für welche Situationen sie genau gelten sollen und was genau umfasst sein soll. Besser ist deshalb eine individuelle Formulierung mit ärztlicher und juristischer Beratung.
  • Mit einer Patientenverfügung können Sie nur Zwangsmaßnahmen zum Eigenschutz verhindern.
  • Zwangsmaßnahmen zum Schutz anderer können Sie auch mit einer Patientenverfügung nicht verhindern. Aber Sie können darin z.B. wirksam festlegen, was für Sie das mildere Mittel ist: Eine lange Zwangsfixierung zum Schutz anderer oder eine kurze Zwangsmedikation zum Schutz anderer? Das muss dann bei der Auswahl der Zwangsmaßnahmen berücksichtigt werden.

5. Freiheitsentziehende Maßnahmen

Als freiheitsentziehende Maßnahmen werden Maßnahmen bezeichnet, welche die Bewegungsfreiheit eines Menschen gegen dessen Willen einschränken. Alle nachfolgend aufgeführten Maßnahmen sind nur im Akutfall zum Schutz des Patienten und seiner Umgebung erlaubt. Auf längere Sicht muss immer eine richterliche Genehmigung durch das Betreuungsgericht eingeholt werden. Die Maßnahmen müssen vom Pflegepersonal täglich dokumentiert und auf ihre Notwendigkeit geprüft werden.

5.1. Unterbringung im Notfall

Die zwangsweise Einweisung zur medizinischen Behandlung in die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses wird als "Unterbringung" bezeichnet. Diese ist nur im Notfall zulässig, wenn der Mensch mit Psychosen sich selbst und/oder andere erheblich gefährdet. Oft ist ein Mensch in einer akuten Psychose nicht in der Lage zu erkennen, dass er sich selbst oder andere gefährdet. In solchen Fällen kann eine Unterbringung gegen seinen Willen notwendig werden. Anzeichen sind z.B. Verwahrlosung in der eigenen Wohnung, Erkrankung oder Unterernährung in Verbindung mit der Ablehnung jeglicher Hilfe. Zudem können Akutphasen das Unfallrisiko stark erhöhen, weil Menschen mit Psychosen dann zum Teil Gefahren falsch einschätzen oder sich für "allmächtig" bzw. "unverletzlich" halten.
Allein medizinische Behandlungsbedürftigkeit mit krankheitsbedingt fehlender Einsicht oder die Gefährdung des Vermögens reichen nicht für eine Unterbringung.

Sehen Ärzte, Angehörige oder Nachbarn Anzeichen für eine Selbst- oder Fremdgefährdung, sollten sie sich an die rechtliche Betreuung oder bevollmächtigte Person des Menschen mit Psychosen oder den Sozialpsychiatrischen Dienst wenden. Im Notfall sind Polizei, Ordnungs- oder Gesundheitsamt weitere Ansprechpartner, in manchen Städten gibt es auch psychiatrische Krisendienste. Durch das Einschalten kompetenter Stellen und deren Intervention kann eine Unterbringung oft vermieden werden, denn immer mehr Therapien können erreichen, dass sich die Betroffenen freiwillig in stationäre Behandlung begeben. Bei einer Unterbringung gegen Widerstand besteht immer auch die Gefahr einer Traumatisierung.

Das Verfahren zur zwangsweisen Unterbringung von psychisch kranken Menschen ist in jedem Bundesland unterschiedlich geregelt. In jedem Fall ist für eine solche Unterbringung das Betreuungsgericht zuständig.

5.2. Mechanische Maßnahmen

Weitere freiheitsentziehende Maßnahmen sind mechanische Maßnahmen, z.B. Fixiergurte, Bettgitter oder andere Methoden, die einem Menschen die Möglichkeit nehmen, das Bett, den Stuhl oder den Raum zu verlassen. Sie werden bei psychotischen Störungen nur sehr selten eingesetzt.

5.3. Sedierende Medikamente

Auch sedierende (ruhigstellende) Medikamente zählen zu den freiheitsentziehenden Maßnahmen. Sedierende Medikamente bewirken eine Verlangsamung auf körperlicher und geistiger Ebene und können bis zu Apathie und Dauerschläfrigkeit führen. Der Arzt darf solche Psychopharmaka nur zum Zweck der Heilung oder Linderung bei Krankheitszuständen (z.B. akute Angstzustände, Wahnvorstellungen) oder in Notfällen verordnen.

Werden sedierende Medikamente jedoch dauerhaft über Wochen zum Zweck der Ruhigstellung verordnet, ist dies eine freiheitsentziehende Maßnahme, die in die Persönlichkeitsrechte des Patienten eingreift. Eine solche Medikamentengabe muss vom Betreuungsgericht genehmigt werden.

Meist kann die Gefahr bereits durch die Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung abgewendet werden. Eine zusätzliche Zwangsbehandlung mit Psychopharmaka ist rechtlich problematisch und wird von den Betreuungsgerichten nur selten genehmigt.

5.4. Rechte bei freiheitsentziehenden Maßnahmen

Betroffene von freiheitsentziehenden Maßnahmen können einen Rechtsanwalt kontaktieren und mandatieren, um sich dagegen zu wehren. Auch wenn ein Mensch nicht mehr geschäftsfähig ist, bleibt er im Betreuungsverfahren verfahrensfähig. Er darf Anträge formulieren und Rechtsmittel gegen richterliche Beschlüsse einlegen.

Im Betreuungsverfahren bekommt die betroffene Person einen Verfahrenspfleger. Der Verfahrenspfleger vertritt vor dem Betreuungsgericht die Interessen des Betroffenen. Er hat den mutmaßlichen Willen des Betroffenen wahrzunehmen und nicht den durch die psychotischen Symptome unfreien tatsächlichen Willen. Der mutmaßliche Wille ist das, was die Person gewollt hätte, wenn die Symptome den Willen nicht einschränken würden. Das heißt, dass der Verfahrenspfleger für die betreute Person z.B. nicht die Aufhebung einer Unterbringung beantragen muss, wenn sie diese nur ablehnt, weil sie krankheitsbedingt nicht mehr erkennen kann, welche Vorteile sie bringt, sie sonst aber gewollt hätte.

Auch wenn ein Verfahrenspfleger bestellt wurde, können Betroffene noch selbst ihre Rechte vertreten und z.B. eigene Anträge ans Gericht stellen. Betroffene müssen sich also nicht damit abfinden, wenn sie mit der Arbeit des Verfahrenspflegers nicht einverstanden sind.

Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden (§ 317 Abs.4 FamFG). Suchen sich Betroffene also selbst einen Rechtsanwalt im Betreuungsverfahren, darf nur ausnahmsweise trotzdem ein Verfahrenspfleger bestellt werden. Betroffene dürfen sich also grundsätzlich aussuchen, wer sie vor dem Betreuungsgericht vertritt.

5.5. Wer hilft weiter?

Bei Fragen und Unsicherheiten hilft das Betreuungsgericht.
Betroffene können sich an Rechtsanwälte mit Tätigkeit im Betreuungsrecht wenden.

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Letzte Bearbeitung: 06.09.2024

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