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1. Das Wichtigste in Kürze

In der Akutphase einer schizophrenen, manischen oder organischen Psychose und bei sehr schweren depressiven Psychosen darf kein Kraftfahrzeug geführt werden. Ob Menschen nach einer psychotischen Krankheitsphase wieder fahren dürfen, ist abhängig von Art und Prognose der Störung. Bei der Einnahme von Psychopharmaka müssen Menschen mit Psychosen sich vor dem Fahren ärztlich beraten lassen, ob sie mit den verordneten Medikamenten fahrtauglich sind.

2. Fahruntauglichkeit bei akuten Psychosen

Menschen mit folgenden Formen akuter Psychosen sind in der akuten Krankheitsphase fahruntauglich und dürfen währenddessen keine Kraftfahrzeuge führen:

  • organische Psychosen (durch eine Erkrankung oder Verletzung des Gehirns verursachte Psychosen)
  • schizophrene Psychosen
  • manische Psychosen
  • sehr schwere depressive Psychosen, z.B. mit depressiv-wahnhaften oder depressiv-stuporösen* Symptomen oder mit akuter Suizidalität

*Stuporös: Stupor ist ein körperliches Erstarren ohne Bewusstseinsverlust, bei dem die Betroffenen wie versteinert wirken.

3. Fahrtauglichkeit nach Psychosen

Nach dem Abklingen der akuten Symptome ist die Fähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs unter Umständen wieder gegeben. Sie wird zum Teil unterschiedlich beurteilt, abhängig davon, um welchen Führerschein es geht. Es gibt 2 Fahrerlaubnisgruppen:

  • Fahrerlaubnisgruppe 1: Klassen A, A1, A2, B, BE, AM, L und T, z.B. Mopeds, Motorräder, PKWs, Transporter und LKWs bis 3,5 Tonnen und land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen.
  • Fahrerlaubnisgruppe 2: Klassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E und FzF, z.B. LKWs und Busse sowie die Erlaubnis zur Beförderung von Fahrgästen (= P-Schein oder Personenbeförderungsschein z.B. für Taxis oder Krankentransporte).

3.1. Fahrtauglichkeit nach organischen Psychosen

Ein Kraftfahrzeug darf nach organischen Psychosen wieder geführt werden, wenn das Grundleiden eine positive Beurteilung zulässt und weder Restsymptome noch ein relevantes chronisches, hirnorganisches Psychosyndrom vorliegen. In der Regel sind regelmäßige Nachuntersuchungen erforderlich. Die Zeitabstände werden in einem Fahrtauglichkeitsgutachten festgelegt.

Das gilt für beide Fahrerlaubnisgruppen.

3.2. Fahrtauglichkeit nach affektiven Psychosen (manisch-depressiv)

Bei Fahrerlaubnisgruppe 1 gilt:

  • Alle manischen Symptome und/oder die relevanten Symptome einer sehr schweren Depression müssen abgeklungen sein.
  • Die eingenommenen Medikamente dürfen der Fahrtauglichkeit nicht entgegenstehen, mehr dazu siehe unten im Abschnitt "Fahrtauglichkeit bei Einnahme von Psychopharmaka".
  • Die Krankheitsaktivität muss geringer geworden sein, sodass mit einer Verlaufsform in der vorangegangenen Schwere nicht mehr gerechnet werden muss. Die Betroffenen müssen das im Zweifel der Fahrerlaubnisbehörde durch regelmäßige psychiatrische Kontrollen beweisen. Der Beweis gelingt in der Regel nach mehreren manischen oder schweren depressiven Phasen in kurzen Abständen nur mit vorbeugenden Medikamenten (sog. Phasenprophylaxe).

Bei Fahrerlaubnisgruppe 2 gilt:

  • Voraussetzung ist komplette Symptomfreiheit.
  • Nach mehreren depressiven oder manischen Phasen wird in der Regel keine Fahrtauglichkeit mehr für diese Fahrerlaubnisgruppe bescheinigt.

3.3. Fahrtauglichkeit nach schizophrenen Psychosen

Bei Fahrerlaubnisgruppe 1 gilt:

  • Fahren ist wieder erlaubt, wenn keine Störungen (z.B. Wahn, Halluzination, schwere kognitive Störung) mehr nachweisbar sind, die das Realitätsurteil erheblich beeinträchtigen.
  • Nach mehreren psychotischen Episoden sind regelmäßige psychiatrische Untersuchungen nötig.
  • Auch bei einer Langzeitbehandlung mit Medikamenten können die Betroffenen fahrtauglich sein, aber sie sollten sich die notwendige Medikamenteneinnahme durch eine psychiatrische Bescheinigung bescheinigen lassen, mehr dazu siehe unten im Abschnitt "Fahrtauglichkeit bei Einnahme von Psychopharmaka".

Bei Fahrerlaubnisgruppe 2 gilt:

Kraftfahrzeuge, für die diese Führerscheine nötig sind, dürfen nach schizophrenen Psychosen nur ausnahmsweise bei besonders günstigen Umständen wieder gefahren werden.

4. Fahrtauglichkeit bei Einnahme von Psychopharmaka

Es ist unterschiedlich, ob während der Einnahme von Psychopharmaka gefahren werden darf oder nicht.

Die Beipackzettel der Medikamente enthalten meist Hinweise darauf, ob das Medikament die Fahrtauglichkeit einschränken kann. Aber wenn im Beipackzettel steht, dass die Fahrtauglichkeit eingeschränkt sein kann, heißt das nicht unbedingt, dass im Einzelfall damit nicht gefahren werden darf. Manchmal ist die Einnahme sogar Voraussetzung für eine Fahrtauglichkeit, das heißt, ohne sie darf nicht gefahren werden.

Wer Psychopharmaka einnimmt, sollte sich deswegen vor dem Fahren immer ärztlich beraten lassen. Außerdem sollten Betroffene eine psychiatrische Bescheinigung beim Fahren mitführen, dass die Einnahme der Medikamente medizinisch notwendig ist.

Wer ein Kraftfahrzeug steuert, ist für die Fahrtüchtigkeit selbst verantwortlich, muss sich vorher kritisch beobachten und sollte im Zweifel das Fahrzeug lieber stehen lassen. Vor allem in den ersten Tagen nach einer Dosissteigerung, sollten Betroffene nicht fahren.

5. Führerschein und Psychosen

Menschen mit Psychosen müssen ihren Führerschein nicht selbst abgeben. Wichtig ist nur, dass sie nicht fahren, wenn sie fahruntauglich sind. Nur wer das nicht gewährleisten kann, sollte den Führerschein freiwillig abgeben.

Wer während einer psychotischen Phase den Führerschein behalten hat und danach wieder fahren will, sollte sich unbedingt vorher ärztlich beraten lassen, ob das Fahren wirklich wieder möglich ist, um keine Unfälle oder Strafen wegen Fahrens trotz Fahruntauglichkeit zu riskieren.

Wenn fahrtaugliche Menschen nach Psychosen einen Führerschein machen wollen, müssen sie ihre Diagnose beim Antrag auf die Fahrerlaubnis angeben und ein ärztliches Gutachten über die Fahrtauglichkeit beilegen, weil sie sonst die Ablehnung ihres Antrags oder einen nachträglichen Entzug der Fahrerlaubnis riskieren, wenn die Diagnose bekannt wird.

Wer schon einen Führerschein hat, dem kann die Fahrerlaubnis bei Bekanntwerden von die Fahrtüchtigkeit ausschließenden Psychosen die Fahrerlaubnis entziehen, z.B. nach Unfällen oder wenn unangepasstes Verhalten im Straßenverkehr auffällt. Wer den Führerschein wegen Psychosen verloren hat, kann ihn mit Hilfe eines Gutachtens zurückbekommen, das die Fahrtauglichkeit bescheinigt. Teils müssen die Betroffenen ihn aber auch neu machen und dabei ein Fahrtauglichkeitsgutachten vorlegen.

6. Begutachtung der Kraftfahreignung bei Menschen mit Psychosen

Gutachten zur Fahrtauglichkeit werden auf Grundlage der "Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung" der Bundesanstalt für Straßenwesen erstellt. Die Angaben oben zur Fahrtauglichkeit und Fahruntauglichkeit bei und nach Psychosen stammen aus diesen Leitlinien. Die Gutachten berücksichtigen die Umstände des Einzelfalls, während die Leitlinien nur einen Orientierungsrahmen bieten.

7. Praxistipps

  • Der Download der „Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung“ der Bundesanstalt für Straßenwesen ist kostenlos möglich unter www.bast.de > Verhalten und Sicherheit > Fachthemen > Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung > zum Download. Die Hinweise zur Kraftfahreignung bei Psychosen stehen in Kapitel 3.12 „Psychische Störungen“ ab S. 44. Hier geht es zur Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung.
  • In akuten psychotischen Phasen können die Symptome dazu führen, dass Sie eine Fahruntauglichkeit wegen der typischer Weise fehlenden Krankheitseinsicht nicht bemerken. Genauso kann es sein, dass Sie ihre Fahruntauglichkeit zwar bemerken, aber trotzdem fahren, weil Sie Ihr eigenes Verhalten auf Grund Ihrer Symptome nicht mehr im Griff haben. Sie können deshalb vorbeugend mit Angehörigen, Freunden oder Nachbarn vereinbaren, dass diese bei Bemerken von Symptomen einer akuten Psychose Ihren Führerschein und Ihre Fahrzeugschlüssel sofort in Verwahrung nehmen sollen. Sie sollten dabei auch offen kommunizieren, wie Sie während einer akuten Psychose darauf reagieren könnten, z.B. mit Drohungen oder Beleidigungen.

8. Wer hilft weiter?

  • Bei Fragen helfen behandelnde Ärzte, die Führerscheinstelle, TÜV oder DEKRA sowie Stellen, die medizinisch-psychologische Untersuchungen (MPU) durchführen.
  • Zur persönlichen Beratung können Sie sich auch an einen Verkehrspsychologen wenden. Adressen und Informationen finden Sie beim Bundesverband Niedergelassener Verkehrspsychologen unter www.bnv.de oder beim Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, Sektion Verkehrspsychologie, unter www.bdp-verband.de > Sektionen > Verkehrspsychologie.

9. Verwandte Links

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Letzte Bearbeitung: 10.09.2024

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