Grad der Behinderung bei Krankheiten des Blutes, der blutbildenden Organe und des Immunsystems

1. Das Wichtigste in Kürze

Bei Krankheiten des Blutes, der blutbildenden Organe und des Immunsystems kann das Versorgungsamt auf Antrag einen Grad der Behinderung (GdB) feststellen. Damit Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt am beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben können, gibt es für sie sog. Nachteilsausgleiche.

2. Antrag auf Grad der Behinderung und Schwerbehindertenausweis

Der GdB wird nur auf Antrag festgestellt, Näheres unter Grad der Behinderung.

Ab einem GdB von 50 besteht ein Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis.

3. Versorgungsmedizinische Grundsätze

Das Versorgungsamt, Amt für Soziale Angelegenheiten oder Amt für Soziales und Versorgung richtet sich bei der Feststellung der Behinderung nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (= Anlage 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung). Diese enthalten Anhaltswerte über die Höhe des Grads der Behinderung (GdB). Die Versorgungsmedizin-Verordnung mit der besonders wichtigen Anlage 2 gibt es in ständig aktualisierter Form unter www.gesetze-im-internet.de/versmedv/anlage.html oder als übersichtliche Broschüre mit einer erläuternden Einleitung zum PDF-Download beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter www.bmas.de > Suchbegriff: "K710".

Die Höhe des GdB richtet sich nach

  • der Schwere der hämatologischen Veränderungen,
  • den Organfunktionsstörungen,
  • den Rückwirkungen auf andere Organe,
  • der Auswirkung auf den Allgemeinzustand und
  • der Häufigkeit von Infektionen.

4. Anhaltswerte für den GdB in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen

4.1. Verlust der Milz

 

GdB

bei Verlust im frühen Kindesalter, dann bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres

20

danach oder bei späterem Verlust

10

4.2. Hodgkin-Krankheit

Hodgkin-Krankheit im Stadium I bis IIIA

GdB

  • bei mehr als 6 Monate andauernder Therapie, bis zum Ende der Intensiv-Therapie je nach Auswirkung auf den Allgemeinzustand

60–100

50

Hodgkin-Krankheit im Stadium IIIB und IV

 
  • bis zum Ende der Intensiv-Therapie

100

60

4.3. Non-Hodgkin-Lymphome

Chronische lymphatische Leukämie und andere generalisierte niedrigmaligne Non-Hodgkin-Lymphome

GdB

  • mit geringen Auswirkungen (keine wesentlichen Beschwerden, keine Allgemeinsymptome, keine Behandlungsbedürftigkeit, keine wesentliche Progredienz)

30–40

  • mit mäßigen Auswirkungen (Behandlungsbedürftigkeit)

50–70

  • mit starken Auswirkungen, starke Progredienz (z.B. schwere Anämie, ausgeprägte Thrombozytopenie, rezidivierende Infektionen, starke Milzvergrößerung)

80–100

Lokalisierte niedrigmaligne Non-Hodgkin-Lymphome

GdB

nach Vollremission (Beseitigung des Tumors) für die Dauer von 3 Jahren (Heilungsbewährung)

50

Hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphome

GdB

  • bis zum Ende der Intensiv-Therapie

100

80

4.4. Plasmozytom (Myelom)

 

GdB

mit geringen Auswirkungen (keine wesentliche Auswirkung auf den Allgemeinzustand, keine Behandlungsbedürftigkeit, ohne Beschwerden, keine wesentliche Progredienz)

30–40

mit mäßigen Auswirkungen (Behandlungsbedürftigkeit)

50–70

mit starken Auswirkungen (z.B. schwere Anämie, starke Schmerzen, Nierenfunktionseinschränkung)

80–100

4.5. Myeloproliferative und myelodysplastische/myeloproliferative Neoplasien

Auswirkungen auf andere Organsysteme sind zusätzlich zu bewerten.

Chronische myeloische Leukämie, BCR/ABL-positiv

GdB

Im Stadium der kompletten hämatologischen, kompletten zytogenetischen und molekularen Remission

10–20

Im Stadium der kompletten hämatologischen Remission je nach Ausmaß der zytogenetischen Remission

30–40

Im chronischen Stadium, auch bei Krankheitsbeginn (im ersten Jahr der Therapie), bei fehlender Remission oder bei Rezidiv je nach Organvergrößerung, Anämie, Thrombozytenzahl und in Abhängigkeit von der Intensität der Therapie

50–80

In der akzelerierten Phase oder in der Blastenkrise

100

Atypische chronische myeloische Leukämie, BCR/ABL-negativ; chronische Neutrophilen-Leukämie; chronische myelomonozytäre Leukämie

GdB

Im Stadium der kompletten hämatologischen Remission

40

Im chronischen Stadium, auch bei Krankheitsbeginn (im ersten Jahr der Therapie), ist die Teilhabebeeinträchtigung insbesondere abhängig vom Ausmaß der Organvergrößerung und Anämie, der Thrombozytenzahl und der Intensität der Therapie

50–80

In der akzelerierten Phase oder in der Blastenkrise

100

Primäre Myelofibrose (Chronische idiopathische Myelofibrose)

GdB

Bei geringen Auswirkungen (keine Behandlungsbedürftigkeit)

10–20

Bei mäßigen Auswirkungen (Behandlungsbedürftigkeit)

30–40

Bei stärkeren Auswirkungen (insbesondere mäßige Anämie, geringe Thrombozytopenie, ausgeprägte Organomegalie)

50–70

Bei starken Auswirkungen (insbesondere schwere Anämie, ausgeprägte Thrombozytopenie, exzessive Organomegalie)

80–100

Chronische Eosinophilen-Leukämie/Hypereosinophilie-Syndrom

GdB

Die Teilhabebeeinträchtigung ist insbesondere abhängig vom Ausmaß der Organomegalie, Hautbeteiligung, Blutbildveränderungen und Nebenwirkungen der Therapie.

mind. 50

Polycythaemia vera

GdB

Bei Behandlungsbedürftigkeit

 
  • mit regelmäßigen Aderlässen

10

  • mit zytoreduktiver Therapie ist die Teilhabebeeinträchtigung insbesondere abhängig vom Ausmaß der Nebenwirkungen der Therapie

30–40

Übergänge zu anderen myeloproliferativen Erkrankungen sind analog zu diesen zu bewerten.

Essentielle Thrombozythämie

GdB

Bei Behandlungsbedürftigkeit

 
  • mit Thrombozytenaggregationshemmern

10

  • mit zytoreduktiver Therapie ist die Teilhabebeeinträchtigung insbesondere abhängig vom Ausmaß der Nebenwirkungen der Therapie

30–40

Übergänge zu anderen myeloproliferativen Erkrankungen sind analog zu diesen zu bewerten.

Die juvenile myelomonozytäre Leukämie ist analog zur akuten myeloischen Leukämie zu bewerten.

4.6. Akute Leukämien

 

GdB

Im ersten Jahr nach Diagnosestellung (Erstdiagnose oder Rezidiv; insbesondere während der Induktionstherapie, Konsolidierungstherapie, Erhaltungstherapie)

100

Nach dem ersten Jahr

 
  • bei unvollständiger klinischer Remission

100

  • bei kompletter klinischer Remission unabhängig von der durchgeführten Therapie, für die Dauer von 3 Jahren (Heilungsbewährung)

80

Danach ist der GdB nach den verbliebenen Auswirkungen (insbesondere chronische Müdigkeit, Sterilität, Neuropathien, Beeinträchtigung der Entwicklung und kognitiver Funktionen) zu bewerten.

4.7. Myelodysplastische Syndrome

 

GdB

mit geringen Auswirkungen (ausgeglichen und ohne wesentliche Allgemeinstörungen)

10–20

mit mäßigen Auswirkungen (z.B. gelegentliche Transfusionen)

30–40

mit stärkeren Auswirkungen (z.B. andauernde Transfusionsbedürftigkeit, rezidivierende Infektionen)

50–80

mit starken Auswirkungen (z.B. andauernde Transfusionsbedürftigkeit, häufige Infektionen, Blutungsneigung, leukämische Transformation)

100

4.8. Aplastische Anämie (auch Panmyelopathie), Agranulozytose

Der GdB ist auch nach Therapie analog zu den myelodysplastischen Syndromen zu bewerten.

4.9. Knochenmark- und Stammzelltransplantation

 

GdB

Nach autologer Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation

GdB ist entsprechend der Grundkrankheit zu beurteilen.

Nach allogener Knochenmarktransplantation für die Dauer von 3 Jahren (Heilungsbewährung)

100

Nach den oben genannten Phasen

GdB ist nach den verbliebenen Auswirkungen und dem eventuellen Organschaden zu bewerten, jedoch nicht niedriger als 30.

4.10. Anämien

Symptomatische Anämien (z.B. Eisenmangelanämie, vitaminabhängige Anämien) sind in der Regel gut behandelbar und nur vorübergehender Natur.

GdB

Therapierefraktäre Anämien (z.B. bestimmte hämolytische Anämien, Thalassämie, Erythrozytenenzymdefekte)

 
  • mit geringen Auswirkungen (ausgeglichen und ohne wesentliche Allgemeinstörungen)

0–10

  • mit mäßigen Auswirkungen (z.B. gelegentliche Transfusionen)

20–40

  • mit starken Auswirkungen (z.B. andauernde Transfusionsbedürftigkeit)

50–70

4.11. Hämophilie und Blutungsleiden

Hämophilie und entsprechende plasmatische Blutungskrankheiten (je nach Blutungsneigung)

GdB

leichte Form mit Restaktivität von antihämophilem Globulin (AHG) über 5%

20

mittelschwere Form – mit 1–5% AHG

 
  • mit seltenen Blutungen

30–40

  • mit häufigen (mehrfach jährlich) ausgeprägten Blutungen

50–80

schwere Form – mit weniger als 1% AHG

80–100

Sonstige Blutungsleiden

GdB

  • ohne wesentliche Auswirkungen

10

  • mit mäßigen Auswirkungen

20–40

  • mit starken Auswirkungen (starke Blutungen bereits bei leichten Traumen)

50–70

  • mit ständiger klinisch manifester Blutungsneigung (Spontanblutungen, Gefahr lebensbedrohlicher Blutungen)

80–100

Eine Behandlung mit Antikoagulantien ist bei der Grundkrankheit (z.B. bei Herzklappen- und Gefäßprothesen, Thrombophilie) berücksichtigt. Wenn die Grundkrankheit nicht mehr besteht bzw. keinen GdB mehr bedingt, aber eine Weiterbehandlung mit Antikoagulantien erforderlich ist, kann – analog den sonstigen Blutungsleiden – in der Regel ein GdB von 10 angenommen werden.

4.12. Immundefekte

Angeborene Defekte der humoralen und zellulären Abwehr (z.B. Adenosindesaminase-Defekt, DiGeorge-Syndrom, permanente B-Zell-Defekte, septische Granulomatose)

GdB

  • ohne klinische Symptomatik

0

  • trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit, aber keine außergewöhnlichen Infektionen

20–40

  • trotz Therapie neben erhöhter Infektanfälligkeit auch außergewöhnliche Infektionen (1 bis 2 pro Jahr)

50

Bei schwereren Verlaufsformen kommt ein höherer GdB in Betracht.

Erworbenes Immunmangelsyndrom (HIV-Infektion)

GdB

HIV-Infektion ohne klinische Symptomatik

10

HIV-Infektion mit klinischer Symptomatik

 
  • geringe Leistungsbeeinträchtigung (z.B. bei Lymphadenopathiesyndrom [LAS])

30–40

  • stärkere Leistungsbeeinträchtigung (z.B. bei AIDS-related complex [ARC])

50–80

  • schwere Leistungsbeeinträchtigung (AIDS-Vollbild)

100

5. Hilfen und Nachteilsausgleiche für Menschen mit Behinderungen

Mit einem festgestellten GdB kommen folgende Hilfen und Nachteilsausgleiche in Betracht:

Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über alle GdB-abhängigen Nachteilsausgleiche: GdB-abhängige Nachteilsausgleiche

Ja nach Art und Umfang der Behinderungen durch die chronische Hepatitis können bestimmte Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis eingetragen werden. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über alle Nachteilsausgleiche bei Merkzeichen: Merkzeichenabhängige Nachteilsausgleiche

 

Menschen mit Behinderungen haben außerdem Anspruch auf Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe, auch wenn bei ihnen (noch) kein GdB festgestellt wurde.

Beispiele:

5.1. Praxistipps

  • Wenn Sie einen falschen Bescheid mit einem zu niedrigen GdB erhalten haben, eine Reha oder andere Leistungen abgelehnt wurden, können Sie sich dagegen mit einem Widerspruch und ggf. einer Klage wehren.
  • Wenn Ihre Behinderung stärker geworden ist, können Sie mit einem Neufeststellungsantrag einen höheren GdB und ggf. bestimmte Merkzeichen beantragen.

6. Verwandte Links

Grad der Behinderung

Behinderung

Versorgungsamt

Schwerbehindertenausweis

Nachteilsausgleiche bei Behinderungen

Leistungen für Menschen mit Behinderungen

Letzte Bearbeitung: 01.08.2024

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