Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) sind ohne vorherige Genehmigung des Betreuungsgerichts nur dann und nur maximal 30 Minuten erlaubt, wenn Menschen mit Demenz sich selbst oder andere akut gefährden. In dem Fall ist das Betreuungsgericht unverzüglich anzurufen. Ansonsten müssen freiheitsentziehende Maßnahmen vorab durch ein Betreuungsgericht genehmigt werden. Bevor freiheitsentziehende Maßnahmen angewendet werden, sollten immer alternative Maßnahmen, z.B. Anpassung des Wohnraums oder digitale Hilfsmittel, geprüft werden.
Als freiheitsentziehende Maßnahmen gelten alle Maßnahmen, die die Bewegungsfreiheit eines Menschen gegen dessen Willen einschränken. Es gibt verschiedene Formen von freiheitsentziehenden Maßnahmen:
Freiheitsentziehende Maßnahmen müssen beim Betreuungsgericht beantragt werden, wenn sie länger als 30 Minuten dauern. Den Antrag muss die bevollmächtigte Person (Vorsorgevollmacht) oder der Betreuer (Rechtliche Betreuung) stellen.
Beides gilt unabhängig davon, wo sich die zu betreuende Person aufhält, also sowohl zu Hause als auch im Krankenhaus, in einem Heim oder in einer sonstigen Einrichtung.
Bei Menschen mit Demenz dürfen freiheitsentziehende Maßnahmen nur eingesetzt werden, wenn eine Person sich selbst und/oder andere erheblich gefährdet und wenn diese Gefahren nicht anders abgewendet werden können. Näheres s.u. unter „Alternativen“.
Freiheitsentziehende Maßnahmen gibt es normalerweise nur in einem Heim, einem Krankenhaus oder „anderen Einrichtungen“. Wenn ein Mensch mit Demenz zuhause z.B. ständig irgendwo hinlaufen will, aber keinen Orientierungssinn mehr hat, dürfen pflegende Angehörige auch mal die Haustür von außen absperren, wenn sie etwas außer Haus erledigen müssen.
Eine Genehmigung durch das Betreuungsgericht ist dafür nicht notwendig, da es hierzu keine gesetzlichen Regelungen gibt. Der einschlägige § 1831 BGB bezieht sich auf Krankenhäuser, Heime oder sonstige Einrichtungen.
Im häuslichen Bereich sind freiheitsentziehende Maßnahmen allerdings nur dann keine strafbare Freiheitsberaubung nach § 239 StGB, wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt (sog. rechtfertigender Notstand, § 34 StGB). Eine erhebliche Selbstgefährdung oder eine von der demenzkranken Person ausgehende Fremdgefährdung sind ein solcher Rechtfertigungsgrund. Das gilt aber nur bei Pflege durch Angehörige.
Wenn ausschließlich fremde Personen, z.B. Betreuer und Pflegedienst, eine Person zu Hause betreuen und pflegen, ist dies aus rechtlicher Sicht eine Situation wie in einer Einrichtung. Somit ist z.B. das Absperren der Haustür eine freiheitentziehende Maßnahme und muss beim Betreuungsgericht genehmigt werden (vgl. Landesgericht München vom 7.7.1999 Az: 13T 4301/99).
Ohne Genehmigung können Betreuer oder Bevollmächtigte nur dann entscheiden, wenn sie ausdrücklich das Recht dazu haben. Details siehe oben unter "Ausnahme: FEM ohne Antrag".
Ein Problem bei vielen dementen Menschen in Pflegeheimen oder Krankenhäusern ist ihr Bewegungsdrang und/oder die Weglauftendenz bei fehlender Orientierung. Sie laufen rastlos hin und her. Oft steigert sich diese Unruhe in der Nacht. Oder sie wollen noch etwas erledigen, z.B. ihr Kind vom Kindergarten abholen, und machen sich auf den Weg in den Kindergarten. Statt „Weglauftendenz“ wird deshalb zunehmend von „Hinlauftendenz“ gesprochen.
Manche Krankenhäuser oder Pflegeheime hindern demenzkranken Menschen insbesondere nachts durch Fixierungen wie Bettgurte oder das Anbringen von Bettgittern daran, ihrem Bewegungsdrang nachzugeben.
Eine andere Art, den Bewegungsdrang einzuschränken, sind sedierende Medikamente. Das sind Psychopharmaka, die zu einer Verlangsamung auf körperlicher und geistiger Ebene bis hin zu Apathie und Dauerschläfrigkeit führen können. Sedierende Medikamente dürfen nur zur Heilung oder Linderung bei Krankheitszuständen (z.B. akuten Angst- oder Wahnvorstellungen) oder in Notfällen verordnet werden. Werden sedierende Medikamente jedoch über Wochen verordnet, dann ist dies eine freiheitsentziehende Maßnahme, die in die Persönlichkeitsrechte eingreift. Obendrein können sedierende Medikamente typische Alzheimer-Symptome wie Apathie und depressive Zustände verstärken.
Alle freiheitsentziehenden Maßnahmen müssen vom Betreuungsgericht genehmigt werden.
Weder eine bevollmächtigte Person noch ein Betreuer können eine Fixierung ohne gerichtlichen Beschluss erlauben, außer dies ist ausdrücklich anderes geregelt, Details siehe oben unter "Ausnahme: FEM ohne Antrag.
Das Pflegepersonal muss alle freiheitsentziehenden Maßnahmen täglich dokumentieren und auf ihre Notwendigkeit prüfen (lassen).
Manchmal ist ein an Demenz erkrankter Mensch nicht mehr in der Lage zu erkennen, dass er sich selbst oder andere akut gefährdet. In solchen Fällen kann eine Einweisung in eine geschlossene Abteilung einer Klinik gegen seinen Willen notwendig werden.
Oft kommt es zu einer Einweisung, weil ein Mensch mit Demenz z.B. in der eigenen Wohnung verwahrlost, unterernährt ist, jede Hilfe ablehnt oder aggressiv wird. Ist Eile geboten, ist eine einstweilige Anordnung durch das Betreuungsgericht möglich. Wenn wegen einer Notsituation bereits gehandelt wurde, muss dies sofort dem zuständigen Betreuungsgericht mitgeteilt und die Genehmigung nachträglich erteilt werden.
Haben Ärzte, Angehörige oder Nachbarn Bedenken, dass eine Person mit Demenz sich selbst oder andere gefährdet, dann sollten sie sich an dessen gesetzlichen Betreuer (Rechtliche Betreuung) oder Bevollmächtigten wenden. Falls die Person keinen Betreuer oder Bevollmächtigten hat, sind die Polizei, das Ordnungs- bzw. Gesundheitsamt oder der sozialpsychiatrische Dienst vor Ort die richtigen Ansprechpartner. Eine dieser Behörden stellt dann den Antrag auf eine Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung (z.B. in einer Gerontopsychiatrie).
Vor allem bei akuter Gefährdung lassen sich freiheitsentziehende Maßnahmen nicht vermeiden. Langfristig lohnt sich für die Lebensqualität der demenzerkrankten Menschen jedoch meist die Suche nach Alternativen.
Technische Hilfsmittel können die persönliche Betreuung von Menschen mit Demenz zu Hause und im stationären Umfeld unterstützen und erleichtern. So gibt es z.B. Signalgeber, wenn Menschen den Impuls haben, sich aus dem sicheren Umfeld zu entfernen und „irgendwo“ hinzugehen. Betroffene tragen dann einen Sender am Körper. Wenn sie den geschützten Bereich verlassen, alarmieren Ton- und/oder Lichtsignale das Personal.
Solche Alarmsysteme gibt es auch für Zuhause. Dort informiert ein Tonsignal Angehörige, wenn der demenzerkrankte Mensch ein vorher festgelegtes Areal verlässt, oder es kommt zu einer automatischen Weiterschaltung des Alarms an eine ständig besetzte Notrufzentrale.
Mittlerweile erlauben auch gängige Geräte wie Smartwatches (Multifunktionsuhren) oder Handys die Ortung via Registrierung und Internet. Allerdings muss dafür sichergestellt sein, dass die Person das Gerät immer bei sich trägt.
Bei Fragen und Unsicherheiten helfen das Betreuungsgericht, Pflegestützpunkte oder Selbsthilfegruppen, Näheres unter Demenz > Entlastung Angehöriger.
Demenz > Entlastung Angehöriger
Demenz > Umgang mit der Erkrankung
Demenz > Krankenhausaufenthalt
Gerontopsychiatrische Einrichtungen
Rechtsgrundlagen: § 1831 BGB